Seit dem 1. Juli 2023 sind die Pfarrstellen in Loccum und Wiedensahl vakant. Zum 1. Dezember soll die Pfarrstelle wieder besetzt werden – davon gehen die beiden Kirchenvorstände aus. Die neue Pastorin ist in Loccum keine ganz Unbekannte: Simone Schad-Smith. Noch befindet sie sich in der Ausbildung. Vorausgesetzt, sie besteht die letzten Prüfungen im November, wird sie in der Adventszeit ihren Probedienst in Loccum und Wiedensahl beginnen. Kirchenvorsteher Lothar Veit aus Loccum und Prior Arend de Vries haben die Neue für den Dachreiter interviewt:
Liebe Frau Schad-Smith, Loccum ist Ihnen nicht unbekannt und in Loccum kennen eine ganze Reihe von Menschen Sie auch. Für die, die es nicht wissen: Was verbindet Sie mit Loccum?
Simone Schad-Smith: Ich war zum ersten Mal als Studentin in Loccum, bei einer Tagung in der Akademie. Ich dachte mir damals: Was für ein besonderer Ort – hier würde ich gerne arbeiten! Der Blick aufs Kloster, der Wald, die friedliche Atmosphäre des Ortes. 2004 habe ich dann die Arbeit mit Schülern und Schülerinnen an der Akademie übernommen, 2022 zusätzlich die Kinderakademie. Die ersten Jahre bin ich hierher gependelt, dann haben wir uns als Familie hier niedergelassen, haben das Stadtleben gegen das Landleben eingetauscht. Was für ein Gewinn an Lebensqualität! Meine Tochter ist hier groß geworden. Rehburg-Loccum ist unser Zuhause, Loccum meine geistliche Heimat.
Sie kennen also die Akademie und auch die anderen kirchlichen Einrichtungen gut. Kennen sie auch die Kirchengemeinde in Loccum?
Schad-Smith: Natürlich kenne ich die Kirchengemeinde und einige Menschen, die hier leben. Mit vielen von ihnen habe ich in der Tagungsstätte der Akademie, vor allem in der Hauswirtschaft und der Verwaltung, täglich zusammengearbeitet. Berührungspunkte zur Gemeinde gab es während des Klosterjubiläums, aber auch privat. Meine Tochter hat an so manchem Ferienangebot der Gemeinde teilgenommen, und ich selbst bin schon immer gerne in die Loccumer Gottesdienste in der Klosterkirche, im Refektorium oder Priors Garten gegangen. Ich besuche gerne die Hora – dieses abendliche Gebet der Zisterzienser hat mich in seiner immer wieder gleichen und verlässlichen Form durch so manche schwere Zeit geführt. Einiges kenne ich also in der Gemeinde, aber es wird noch viel zu entdecken geben.
Und wie ist es mit Wiedensahl?
Schad-Smith: Ich kenne Wiedensahl noch nicht sehr gut. Natürlich war ich schon mal im Wilhelm-Busch-Haus und habe mir die tolle Ausstellung dort angeschaut. Aber ich glaube, Wiedensahl hat noch mehr als diese schillernde Person zu bieten. Die Gemeinde ist für ihre musikalische Arbeit bekannt: die Handglocken und den Posaunenchor kennt man auch andernorts. Ich weiß, wie wichtig den Wiedensahlern das Erntefest, der Martinimarkt und der Adventsmarkt sind, dass sich viele in der Gemeinde ehrenamtlich engagieren, dass sie einen eigenen evangelischen Kindergarten haben. Was Wiedensahl darüber hinaus ist, werde ich bald kennenlernen.
„Die Coronazeit hat was in mir verändert“
Nun sind Sie zwar eine Berufsanfängerin im Pfarramt, aber ansonsten schon viele Jahre im Berufsleben. Wie kommt es, dass Sie mit 50 Jahren noch mal einen Neuanfang gewagt haben?
Schad-Smith: Die Entscheidung für den Neubeginn als Pastorin kam nicht von ungefähr und ist über viele Jahre gereift. Es gibt sicherlich nicht einen einzigen Grund für den Entschluss. Vieles führte zu dieser Entscheidung: Ich komme aus einer sehr lebendigen Gemeinde in der Nähe von Göttingen. Kirche war schon als Kind der Ort, an dem ich mich gesehen fühlte, wo ich Gemeinschaft erfahren habe und als Mensch wachsen konnte. Geprägt hat mich meine Jugendgruppe, die Zeit als Betreuerin von Kinderfreizeiten, die Eine-Welt-Arbeit und vor allem die Schüler/innen-Arbeit in der Landeskirche. Dazu kam, je älter ich wurde, eine gehörige Portion theologische Neugierde, so dass ich vor zwölf Jahren ein theologisches Fernstudium der EKD absolviert habe und einige Jahre später auch Prädikantin im Kirchenkreis Stolzenau-Loccum wurde. Gerne hätte ich berufsbegleitend Theologie studiert. Aber das geht einfach nicht, wenn man die alleinige Verantwortung für die Familie hat und voll arbeitet. Ich wusste schon seit vielen Jahren von der Möglichkeit des Quereinstiegs, habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Ausschlaggebend war für mich die Coronazeit, in der ich zwei Jahre online aus dem Homeoffice gearbeitet habe. Diese Zeit hat was in mir verändert, hat den Wunsch nach Veränderung sehr befeuert. Es war eine Sehnsucht nach Gemeinschaft im Glauben, nach Gott im Zentrum – ich habe gespürt, ich muss diesen Schritt jetzt einfach gehen.
Noch steht unter Ihren Mails „Pfarrverwalterin i.A.“, also „in Ausbildung“. Was ist eine „Pfarrverwalterin“?
Schad-Smith: Die Hannoversche Landeskirche eröffnet jährlich fünf Interessierten mit theologischer Vorerfahrung die Möglichkeit, in den Pfarrdienst zu wechseln. Diese „Pfarrverwalterinnen-Ausbildung“ dauert anderthalb Jahre. In dieser Zeit lernt man die Arbeit in der Gemeinde „von der Pike“ auf. Dabei begleitet uns, ähnlich wie in einem Vikariat, eine erfahrene Pfarrperson und ihre jeweilige Gemeinde. Außer der Praxis vor Ort besteht die Ausbildung aus zahlreichen Fortbildungen, Coachings und einigen Prüfungen. Sie richtet sich an Menschen mit theologischer Leidenschaft, die unterschiedliche berufliche Erfahrungen in den Verkündigungsdienst einbringen können – das ist einmalig in ganz Deutschland. Meine Ausbildung absolviere ich im Kirchenkreis Nienburg in den Gemeinden Wietzen und Binnen/Bühren.
Als Sie diese Ausbildung begonnen haben: Hatten Sie da von vornherein Loccum und auch Wiedensahl im Blick?
Schad-Smith: Nein. Es war ja damals, Ende 2022, auch gar nicht absehbar, dass die Stelle nach dem Weggang von Diestelkamps so lange unbesetzt bleiben würde. Eine Gemeinde „wie Loccum und Wiedensahl“, die hätte ich mir gewünscht, aber dass ich tatsächlich zurückkomme, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt. Ich freue mich riesig!
„Ich fühle mich hier wohl und zuhause“
Was reizt Sie an diesen beiden Kirchengemeinden? Sie hätten sich ja auch für Ostfriesland oder das Wendland oder Hannover interessieren können?
Schad-Smith: Ich bin in den Jahren, die ich hier lebe, ein Landmensch geworden. Ich fühle mich hier wohl und zuhause. Nichts auf der Welt würde mich zurück in die Großstadt führen. Ostfriesland wäre auch toll, aber da hätte meine Tochter gestreikt. Außerdem haben wir hier doch auch ein „Meer“ vor der Nase! So unterschiedlich die beiden Gemeinden Loccum und Wiedensahl auch sein mögen – an beiden Orten sehe ich Menschen, die etwas wollen – für andere. Die bereits sind, ihre Freizeit dafür zur Verfügung zu stellen und täglich dafür sorgen, dass unser Glaube im Leben seinen Platz findet.
Sie werden zunächst einmal in Rehburg wohnen bleiben und nicht ins Pfarrhaus in Loccum ziehen. Wie werden Sie erreichbar sein für die Menschen in den Gemeinden?
Schad-Smith: Ja, wir bleiben in unserem Haus in Rehburg wohnen. Erreichbar werde ich für die Gemeinden natürlich trotzdem sein – das ist mir sehr wichtig! Ich werde mein Büro im Pfarrhaus in Loccum beziehen und plane feste Anwesenheitszeiten. Ich habe nicht vor, meine Arbeit aus dem Homeoffice zu gestalten und werde den Kontakt suchen. Da der Beruf der Pastorin kein Bürojob ist und davon lebt, dass ich bei den Menschen bin, werde ich auch oft in Loccum und Wiedensahl unterwegs sein. Wichtig ist, An- und Abwesenheiten gut und verlässlich über die Homepage der Gemeinde zu kommunizieren. Ich werde über ein Diensthandy erreichbar sein und rufe zurück, wenn ich gerade mal nicht drangehen kann. Ich stehe den Gemeindemitgliedern an beiden Standorten persönlich, telefonisch und – sofern gewünscht – auch online zur Verfügung.
Das Spektrum der Aufgaben für eine Pastorin ist sehr vielfältig. Was macht Ihnen in der Arbeit als angehende Pastorin besonders viel Freude?
Schad-Smith: Als Pastorin ist man für eine ganze Bandbreite von Aufgaben verantwortlich – das macht den Reiz dieses Berufes aus. Es gibt kein Aufgabenfeld, das ich einem anderen vorziehen würde. Alle Arbeitsfelder – Gottesdienst, Predigten, Kasualien, Seelsorge, Kinder- und Jugendarbeit, Seniorenarbeit, Frauen- und Männerarbeit, Besuchsdienste, Gemeindeleitung mit dem Kirchenvorstand, Verwaltung, Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising – sind wichtig, keines verzichtbar. Besonderes Augenmerk müssen wir auf junge Menschen legen, Beteiligung ermöglichen, neue Formen geistlichen Lebens mit ihnen zusammen entwickeln. Wir brauchen sie und können es uns nicht leisten, sie zu verlieren. Meine persönliche Stärke sehe ich im Kontakt zu den Menschen allen Alters, ich begleite sie gerne an den Wendepunkten ihres Lebens, den freudigen, aber auch den schweren.
In welchen Bereichen möchten Sie noch Neues ausprobieren?
Schad-Smith: Wer mich kennt, weiß, dass ich für Neues zu haben bin, aber auch gerne an Traditionen festhalte. Ich werde erst einmal ankommen und schauen, was die Gemeinden ausmacht. Mir ist wichtig, dass wir das, was wir tun, mit Freude tun und darin unseren Glauben leben können. Unsere Gesellschaft hat sich verändert und die Kirchen mit ihr. Ohne Zweifel: Wir stehen vor großen Herausforderungen und auch Umbrüchen. Wir werden uns verändern, sollten davor aber keine Angst haben. Anstatt den Verlust zu beklagen, sollten wir uns auf das konzentrieren, was wir wirklich auch beeinflussen können. „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.” Ich wünsche mir ein frisches und lebendiges Gemeindeleben, in dessen Zentrum Christus steht, wo jeder seine Talente einbringen kann und wir respektvoll miteinander umgehen. Regelmäßig Gottesdienst zu feiern in unseren beiden herrlichen Kirchen ist wichtig. Gottesdienste an anderen Orten können das ergänzen. Was das Neue sein wird und was wir gemeinsam in den nächsten drei Jahren auf die Beine stellen wollen, möchte ich gerne mit den Gemeinden gemeinsam entwickeln.
Herzlichen Dank, liebe Frau Schad-Smith, für das Gespräch. Wir freuen uns sehr auf Sie!
Interview: Lothar Veit / Arend de Vries